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Redaktionen sind wie Türsteher

Redaktionen sind wie Türsteher

Die Kollegen vom Pressesprecher-Magazin haben hier sehr schön zusammengefasst, welche fünf PR-No-Goes Redakteure wirklich nerven.
Ich möchte diese fünf Punkte in meinen eigenen Worten nochmal rekapitulieren:

  1. Ein Unternehmen möchte ja, dass Journalistinnen und Journalisten den vom Unternehmen selbst bereitgestellten Content weidlich nutzen – das ist ja der Sinn einer “Pressearbeit”. Also müssen die bereitgestellten Inhalte wie Texte, Dokumente, Fotos und Grafiken (diese vor allem!!) auch jeder Journalistin und jedem Journalisten “barrierefrei” zugänglich sein. Daher die eiserne Regel: Keine Registrierung! Klar möchte das Unternehmen damit die Kontaktdaten des Journalisten für den eigenen Verteiler abgreifen und es bei der Suche nach veröffentlichten Berichten für die folgende Medienresonanzanalyse oder den Pressespiegel einfacher haben. Aber: Im Zweifel geht dieses Ansinnen nach hinten los, und die Journalisten nutzen aus Frust oder Ungeduld unseren schönen, extra vermeintlich zielgruppengerecht aufbereiteten Content gar nicht. Ein klassisches Eigentor.
  2. Vergessen Sie schön und exklusiv gestaltete Pressemeldungen, nein: Pressemeldungskunstwerke, in eigener Hausschrift und mit aufwändigen Logos sowie zu allem Überfluss noch als PDF-Datei mit Zeilensprung verschickt. Das sieht zwar im eigenen Pressespiegel klasse aus, ist aber für die tägliche Redaktionsarbeit oft untauglich. Redaktionen möchten keine Pressemeldungskunstwerke, sie möchten Inhalte. Texte, die man leicht weiterverarbeiten kann (ja, Copy & Paste ist ein akzeptiertes Verfahren!) und Dokumente wie Bilder oder Grafiken separat in hoher Auflösung. Bitte: Bauen Sie diese Dokumente nicht in Word-Dateien ein, und nutzen Sie bitte, bitte, bitte kein Fancy-DTP-Programm wie QuarkXPress oder Adobe InDesign, um die Kunstwerke zu layouten. Eine E-Mail in PlainText mit Attachments oder, besser noch: Links zu den Dokumenten ist weitaus praktikabler. Und was praktikabel ist, wird auch verwendet… (Und wenn Sie mir nicht glauben, dann glauben Sie bitte der FAZ).
  3. Nachfassen ist verboten! Das sieht zwar die gesamte versammelte PR-Clique anders, weil es viele gute Argumente für ein Nachfass-Telefonat gibt. Aber Redaktionen hassen es, fertig. Stefan Bruns und Mathias Wolff vom Pressesprecher-Magazin formulieren dies so drastisch, dass Widerspruch beinahe zwecklos erscheint:

    Bei allen Redakteuren, die wir kennen, stößt dieses Nachfassen jedoch auf blanken Hass. Ungefähr so, als wenn man sie begrapschen würde.

    Redaktionen haben keine Pflicht zur Veröffentlichung und sind Pressestellen keine Rechenschaft schuldig. Nachfass-Aktionen fühlen sich für Journalistinnen und Journalisten aber an, als müssten sie diese Rechenschaft ablegen: “Wann erscheint mein Text?” “Warum erscheint er nicht genau so, wie wir ihn mit allen fünfzig Abteilungsleitern in jahrelanger Kleinarbeit mühselig abgestimmt haben?” “Warum ignorieren Sie unsere großartige Produktpräsentation, für die wir so dringend auf Presseberichterstattung angewiesen sind, weil das Produkt selbst – nun ja – nicht so richtig aus sich selbst heraus überzeugt?”

  4. Bruns und Wolff bringen es so schön auf den Punkt:

    Eine Pressemitteilung ist ein Informationsangebot zur freien Verfügung. Die Redaktion kann damit praktisch machen, was sie will – sie ignorieren, kürzen, eine Rosine herauspicken, Passagen davon in einem ganz anderen Artikel verwursten und, und, und. Das ist eben Teil der Pressefreiheit.

    So und nicht anders ist es. Es ist ein Informationsangebot, ein Tipp, ein Hinweis für die Redaktion, dass eventuell etwas Interessantes ansteht, über das es sich vielleicht zu berichten lohnen könnte. Mehr nicht. “Kalt vorgeschriebene Pressemitteilungen” etwa, die in hellseherischer Weise schon vor dem eigentlichen Termin wissen, wie er Tage später abgelaufen sein wird, sind reine Hilfen für die Redaktion.
    Eine Sperrfrist halten Bruns und Wolff gar für “albern” – und in vielen Fällen sind sie das auch. Sperrfristen sind im Zeitalter der Many-2-Many-Kommunikation, des “always on”, der Ära von Twitter und Periscope wirklich ein Relikt aus einer untergegangenen Zeit. Damals, als es nur zwei Fernsehsender und kein Privatradio gab und die Zeitung frühestens am nächsten Morgen erschienen ist, waren Sperrfristen faktisch unnötig, aber ein gentlemen’s agreement unter (wenigen) Kollegen.
    Heute ist veröffentlicht, was rausgeschickt wird, fertig. “Draußen ist draußen”. Ganz albern wird es freilich, wenn Pressemitteilungen mit späterer Sperrfrist bereits vorher auf der eigenen Webseite erscheinen, weil die Veröffentlichung den Versand triggert…

  5. Und zuletzt geht es um Fotos. Die sollen möglichst gut, möglichst groß, möglichst in einem Wald-und-Wiesenformat wie TIFF oder JPEG sein und möglichst einfach heruntergeladen werden können – möglichst auch in ein paar Jahren noch. (Und jetzt streichen Sie bitte alle “möglichst”, dann ist der Text inhaltlich perfekt!). Und authentisch müssen diese Fotos sein: Hochglanzfotos von Hochglanzmodels aus den bekannten Bild-Datenbanken helfen niemanden, und ganz sicher nicht Ihrem Anliegen, eine Veröffentlichung zu bekommen. Denn: Die Datenbanken kennt jeder, und die Bildsprache und Motive auch. Das ist nichts Neues, nichts Exklusives, schon gar nichts Außergewöhnliches. Ihre Botschaft, Ihr Produkt, Ihr Anlass für die Berichterstattung soll aber doch als exklusiv und außergewöhnlich auffallen, oder? Investieren Sie in ein gutes Foto oder besser noch: in eine gute Visualisierung. Alle Medien sind auf gute, besondere, herausgehobene Bildelemente angewiesen (selbst der Rundfunk braucht gute Fotos für seine Website) – das ist die Chance für Ihre Pressearbeit! (An wenigen hundert Euro Honorar für eine sehr gute Fotografie oder eine besonders einprägsame Grafik sollte es ja nicht scheitern, oder?)

Redaktionen sind Partner, die Ihnen “Zugang” zu ihrem Medium und damit zu den Leserinnen und Lesern geben (das ist selbstredend trivial, darf aber niemals vergessen werden). Journalisten verstehen sich (oder verstanden sich zumindest in der Vergangenheit) als Wächter dieses Zugangs, als “Gatekeeper”. Man könnte auch etwas robuster sagen, sie verstehen sich als Türsteher. Wer rein will, muss sich ihren Regeln fügen, so ist das nunmal. Daher: Stressen Sie die Redaktionen nicht, sondern bieten ihnen interessanten, exklusiven, neuartigen und attraktiven Content an; dann könnte es ein erfolgreicher Abend werden…